Oh ja, sie hatten ganze Arbeit geleistet, die Lichträuber, und über die
weite, aller Farben beraubte Moorlandschaft drohte sich der Schleier
aus Trostlosigkeit zu legen. Wäre da nicht an jedem Abend, in den
letzten Minuten des bisschen sterbenden Lichtes eines grau getönten
Tages dieser zarte, lachsfarbene Hauch am Himmel hinter den entlaubten,
knorrigen Bäumen gewesen. Wie ein tröstendes Lächeln breitete sich ein
feiner Streifen am unteren Rand der schweren Wolken aus, zog funkelnde
Schlieren über den opalschwarzen See. Und dieser wartete scheinbar nur
auf den Wind, der stets aus Osten kommend und mit Kälte gefüllt die
dunkle Oberfläche kräuselte. Es war als zwinkerten die beiden sich zu,
der rosa Lichtatem und der unergründliche See, als wären sie Verbündete.
Hierher kamen die Grauen nicht auf ihrem Raubzug, glaubten, hier wäre
nichts mehr zu holen und alles hätte sich längst ins Unabwendbare
ergeben.
Sie erschien jeden Abend, setzte sich auf den großen Findling am Seeufer und
genoss die Existenz dieses scheinbar irrealen Ortes. Der Wind zerzauste
ihre Locken noch mehr, als es sowieso bei ihrer widerspenstigen Fülle
immer der Fall war. Sie ließ ihm sein Spielzeug. Friedlich, entspannt
und auf eine seltsame Weise erleichtert träumte sie mit halbgeöffneten
Lidern in die Lichtstreifen des Sees. Erst wenn die Nacht endgültig
hereingebrochen war, die Dunkelheit für heute tatsächlich gesiegt hatte,
ging sie. „Bis Morgen“, flüsterte sie den tanzenden Reflexen zu und
auf ihrem Heimweg durch das Moor sang sie ein fröhliches Lied.
isabella
kramer© veredit 2012
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